Der Bauer hat´s, der Tierarzt sieht´s und die Politik verschweigt´s.
“Findet Botulismus den Weg in die Behörden?”
- Klaus Schiele, Erpfenhausen (Gemeinde Gerstetten)
Ich bewirtschafte mit meiner Familie einen landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb
mit Ackerbau . Im Jahr 1994 pachtete ich ein Wiesengrundstück, in dem sich ein
Notauslauf der Kanalisation der Gemeinde Gerstetten befand. Bei starkem
Gewitterregen hat die Kanalisation die Mengen nicht mehr aufnehmen können.
Dabei ist dann ungeklärtes Abwasser ausgetreten und hat meine Wiese über-
schwemmt. In den ersten drei Jahren ist dies einmal vorgekommen. Durch die
weitere Versiegelung des Gemeindeviertels reichte der Kanal längst nicht mehr
aus, so dass jährlich 1-2 mal ungeklärtes Abwasser meine Wiese überflutete.
Nach jedem Überlaufen wurde die Gemeinde informiert. Sie beseitigte den Unrat
und entsorgte das betroffene Futter.
Ende 2001 erkrankten auf misteriöse Art meine Milchkühe und Rinder. 2002 ver-
endeten dann einige Tiere. Der Haustierarzt zog daraufhin den Tiergesundheits-
dienst zu einer Bestandsuntersuchung hinzu. Bei den Tieren wurden Blut- und
Kotproben zur Diagnostik entnommen. Im Blut sowie im Kot konnte Botulismus
nachgewiesen werden. Es handelt sich dabei um den viszeralen Botulismus . Der
Rindergesundheitsdienst fragte daraufhin nach, ob ich Wiesen in der Nähe einer
Kläranlage bewirtschafte. Mir kam das o.g. Grundstück in den Sinn. Von diesem
Tierarzt wurden in der Folge im
Auslaufbereich des Notauslaufes Futter- bzw. Bodenproben entnommen und zur
Untersuchung ins Göttinger Clostridien-Center Miprolab geschickt. Es konnten im
Boden sowie im Futter Botulismus-Bakterien festgestellt werden.
Auf diese Ergebnisse hin wurde die Gemeinde informiert und zu einer Besprechung
eingeladen. Bei dieser Besprechung kam heraus, dass der Notauslauf bereits zum
31.12.1995 hätte verschlossen sein müssen. Den Schaden, der mir entstanden war,
wollte die Gemeinde nicht übernehmen. Der Bürgermeister sagte damals, wenn wir
streiten wollen, sollen wir zu einem Rechtsanwalt gehen. Nach langem hin und her
der Rechtsanwälte kam es schließlich 2005 zu einem Vergleich. Mittlerweile waren
mir bereits 22 Milchkühe verendet. Die Gemeinde erstattete mir 30.000 € Schadens-
ersatz und wir kamen überein, dass die betroffene Futterfläche meinerseits nicht
mehr genutzt wird, sondern das Gras von der Gemeinde entsorgt werden soll. Der
Bürgermeister versprach, dass der Kanalüberlauf in den nächsten Jahren ver-
schlossen werden sollte.
Das Erkranken und Verenden der Tiere nahm aber kein Ende. Es wurden zahlreiche
Botulismus-Impfungen durchgeführt. Die Überschwemmungen wurden mehr und
auch heftiger. Am 21.07.2007 kam es dann bei einem sehr starken Gewitterregen,
dass auch weitere angrenzende
Wiesen mit Abwasser überflutet wurden (der “Strom” war ca. 4-5 km lang).
Das geschah im Jahr 2007 dreimal. Mittlerweile liegen vier vom Gericht bestellte
Gutachten vor, die belegen, dass das Erkranken und Verenden meiner Tiere und die
Abwasserverunreinigung meiner Wiese in direktem Zusammenhang stehen. Es ist
davon auszugehen, dass erkrankte Tiere die Bakterien ausscheiden und sie sind
so resistent, dass sie auch in Gülle überleben und sich sogar vermehren. Es ist
anzunehmen, dass durch die Düngung mit Gülle ein Kreislauf der Weiterverbreitung
und Wiederansteckung entstanden ist und damit auch zur Kontaminierung anderer
Flächen geführt hat, die keiner Abwasserbelastung ausgesetzt waren.
Der Kanalüberlauf wurde im Oktober 2008, nach “nur” 13 Jahren illegalem Betreiben
verschlossen.
Mitte Januar 2010 zeigten dann zwei meiner Kinder Symptome von Botulismus und
sind daraufhin vom Hausarzt in die Uni-Klinik Ulm eingewiesen worden. Dort wurden
sie dann auf Symptome des klassischen Botulismus (Lebensmittelvergiftung) unter-
sucht, obwohl die Ärzte mehrfach daraufhin gewiesen wurden, dass es sich hierbei
nicht um den klassischen sondern um den viszeralen Botulismus handelt. Während
des Klinikaufenthaltes zeigten sich jedoch keine Syptome, so dass die Uni-Klinik keine
Blutuntersuchung veranlasste. Auch von Seiten des Gesundheitsamtes Heidenheim
wurden keine “weiteren Untersuchungen gewünscht”, obwohl der klassische Botulismus
eine anzeigepflichtige Krankheit ist.
Der 1. Landesbeamte sieht keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Über-
flutungen und dem Krankheitsbild in meinem Tierbestand, obwohl vier Gutachten
vorliegen.
Mittlerweile sind seit 2002 bis 2010 99 Kühe und 27 Kälber verendet oder notgetötet
worden.
Auch von Seiten des Ministeriums bekommen wir keine Hilfe, nicht einmal eine Rück-
antwort auf die letzten Anfragen. Die Ämter verharren in Untätigkeit.